
Thorsten lotst uns durch die Irrwege eines Berliner Parkhauses bis wir komplett die Orientierung verloren haben (sicher ein Bestandteil seines durchtriebenen Plans), um dann einen abgesperrten Bereich zu durchqueren und auf einen ersten Teil seines Sammelsuriums klassischer Automobile zu stoßen. Benvenuto!

„In erster Linie haben es mir die älteren Italiener der 60er und 70er Jahre angetan…“, kommen wir ins Gespräch, und hinter einem Lancia Gamma und einem sehr schönen Fiat 130 (so ein Tatort-Mobil von ARD-Kommissar Kopper), die wir uns unbedingt nochmal in Ruhe ansehen wollen, fällt unser geschulter Blick auf einen eher kleinen und schlichten Weggefährten im typisch kantigen 70er-Design. Ein Lancia Fulvia aus 69 in Limousinenform, Berlina eben, zeitgemäß weiß ausgeliefert, unverbauter Originalzustand Chromdetails und herrliche Patina… das Modell müssen wir uns genau ansehen.


Erinnerungen werden wach. Kindheitserinnerungen aus einer Zeit ohne Kindersitz, ohne Gurte auf der Rücksitzbank, ohne Einparksystem und Navi aber dafür mit zerfleddertem Autoatlas in der Beifahrertür und einer Werkzeugkiste nebst gängigen Ersatzteilen im Kofferraum. Tolles Gefühl, eine Zeitreise in Sekunden. Diese Lancia- oder auch Fiat-124-Epoche war nicht nur prägend in Design und Technik für manch fahrbare Untersätze westeuropäischer Kleinfamilien, auch jenseits der Elbe und Oder bewegten unzählige Lizenzbauten a la Schiguli deren Halter von A wie Aschersleben nach B wie Balaton. Wir kommen ins Schwelgen, und schon hat jeder eine kleine Begebenheit parat.
Technisch betrachtet, lag der Fulvia zu seiner Zeit weit vorn, nicht nur wegen des 1,3l Motors mit zwei obenliegenden Nockenwellen, versorgt durch zwei Solex-Doppelvergaser. Auch das Zweikreis-Bremssystem war eine Errungenschaft, die maßgeblich durch Fiats Übernahme, Einfluss auf die Lancia-Modellpalette nahm. Ab 1970 wurden bereits alle Modelle serienmäßig mit 5-Ganggetriebe ausgeliefert. Thorsten erklärt uns viele Einzelheiten und kann sich dabei auf seine 30-jährige Erfahrung in der KFZ-Branche, mit Fokus auf Lancia und Fiat, berufen, eben von der Pieke auf.

Er erlernte sein Handwerk in Ost-Berlin, im damals bekannten Autohaus FIAT-HEUER nebst Werkstatt. Der ehemalige Besitzer, Werner Heuer, hatte in der DDR den einzigen FIAT-Vertrag und somit das Monopol für Vertrieb und Reparatur von Autos der Marken Renault und Fiat. Diese waren zu Ostzeiten ausschließlich gegen harte D-Mark über GENEX käuflich. Entsprechend gestaltete sich das Publikum, so Thorsten, eine Werkstatt mit Ausnahmecharakter. Altmeister und Gründer Heuer, mehrfacher Motocross-Meister der DDR, kam im Jahr 2000, beim Absturz der Concorde in Paris, ums Leben. Damals ein Schock für alle Familienmitglieder, Freunde und Kollegen. Ein Wechsel der Generationen fand statt. Viele neue Aufgaben wurden von Thorstens Mannschaft gemeistert, so stand der Name Fiat-Heuer weiterhin für Zuverlässigkeit und Kompetenz.

Nachdem das Team im Jahr 2014 den historischen Standort an der Holzmarktstraße, nach nunmehr 46 Jahren, aufgeben musste, zog Thorsten mit seinen Mannen nach Berlin Köpenick und gründete dort erfolgreich cöpmobiles. Noch einmal alles auf Anfang. Was blieb, waren zufriedene Stammkunden und seine Liebe zu klassischen Fiat und Lancia-Modellen.
… oder auch großartig, imposant, überwältigend – ein überaus wohl klingendes Wort, und somit trefflich geeignet für unsere Begegnung mit Thorsten. So großartig und imposant seine erlesene Sammlung an unterschiedlichen Fahrzeugen verschiedenster Typenklassen auch auf uns wirkte, so überwältigt waren wir auch wieder von Thorsten selbst, und das nicht nur als Auskenner des italienischen Bleches.

Die Fulvia ordnungsgemäss verpackt, verabschieden wir uns nach intensiven Benzinthemen und Gesprächen über Gott und die Welt als „Buddies“, mit der Gewissheit auf eine baldige Rückkehr in sein fulminantes Refugium.
ciao!
Team softgarage