
Es sind genau diese Begegnungen, die unser Herz hüpfen lassen, das Gemüt erfreuen und uns die Väter der historischen Automobilbaukunst preisen lassen. Wir haben unseren Himmel auf Erden gefunden und unseren Meister, dem wir ehrfürchtig die schwere Stahlblechtür zu seiner heiligen Motorwagenhalle aufhalten. Horst gewährt uns einige Einblicke in seine Werkstatt und ermöglicht uns ein Tete-a-Tete mit seinem Meisterstück, einem Mercedes Benz W18 Cabriolet, aus dem Jahr 1935, in atemberaubendem Zustand.

Die Stimme von Horst wird leiser und wir erleben seine bildhaften Beschreibungen einer jahrzehntelangen Odyssee der Ersatzteiljagd, Einzelanfertigungen und der ewigen Suche nach originalen Anbauteilen nur noch als untergeordnetes sympathisches Säuseln. Wir tauchen ein in seine Welt und betrachten sein Lebenswerk, sein persönliches Restaurationsobjekt und verlieren uns in unendlich schönen, perfekt restaurierten Details, die dem über 70 Jahre alten Kraftfahrzeug zu einer museumsähnlichen Aura verhelfen.
Der Gesamtzustand ist schnell ermittelt: NEUWAGEN. So sehr wir unseren geschulten Blick auch bemühen, wir entdecken keinen korrodierten Griff, keine aufgeblühte Zierleiste, kein blindes Leuchtenglas, keinen trüben Chromring – jede noch so kleine Karosserieschraube wurde erneuert, ganz zu schweigen vom perfekten Lackkleid und dem makellosen cognacfarbenen Ledergestühl im Innenbereich, selbstverständlich mit aufgearbeitetem Federkern und Rosshaarpolsterung. Alles ist vollständig, kein noch so kleines, eventuell unwichtig erscheinendes Accessoire fehlt. Wir sind nachhaltig geflasht.


Erst auf die Frage hin: „Jungs? Spritztour gefällig?“ kehren wir langsam in die Realität zurück und haken das Museumsgehabe ab. Niemand würde eine solche Einladung zur Überlandfahrt mit einem solch überragenden Oldtimer ausschlagen. Noch dazu kommen die ersten Sonnenstrahlen heraus und wir verspüren Lust, eine Biege zu drehen.


Horst ist ein pragmatischer Typ, ein Mann der Tat, zielstrebig in dem, was er anvisiert, beharrlich in dem, was er anpackt und trotz alledem ruhig und besonnen, auch wenn es mal eng zugeht oder stressig wird. Respekt. „Alte Schule“ eben, denken wir noch und dürfen bereits dem seidig weichen Klang der über 68PS verfügenden 2,9l-Maschine lauschen. Kurzerhand später prasseln die Weißwandreifen seicht übers Kopfsteinpflaster und Horst bewegt den Wagen gekonnt durch den Dorfkern. Wir schaffen es spielend in den Schnellgang des Maybach-Getriebes, damals eine Option zur Serienausstattung.
Wir pausieren unter großen Linden, deren Kulisse passender nicht sein könnte und saugen jede kleine Begebenheit um das W18 Cabriolet auf. Von 1933 bis 1937 wurde diese Baureihe aufgelegt, wobei es neben unserer Langversion auch einen regulären Radstand gab. Zu seiner Zeit bereits ein Fahrzeug für den gehobenen Anspruch, welches vorzugsweise von Betriebsdirektoren und Industriellen bevorzugt wurde. Erstaunlich, wie komfortabel der Wagen auch heute noch auf uns wirkt. Das Fahren ist keine größere Anstrengung, wie bei anderen Modellen aus dieser Epoche.


So konnte Horst erst im letzten Jahr ein stolzes Brautpaar chauffieren, ohne dabei verspannt zu wirken, so des Meisters Worte. Die beiden, Horst und sein Stern, auch ein Paar seit über 30 Jahren, wird wohl nichts auf der Welt auseinanderbringen, soviel steht fest.


Während wir behilflich sind, den Stuttgarter nach einer gelungenen Ausfahrt wieder unter seiner softgarage zu verwahren, erfahren wir vom aktuellen Sanierungsvorhaben. Zu anderer Zeit und an dieser Stelle werden wir vielleicht darüber berichten dürfen, und sichern zu: „Horst, bestimmt kommen wir wieder vorbei, versprochen.“
Softgarage Team